Quarantäne Tag – keine Ahnung welcher Tag. An manchen Tagen weiß ich nicht einmal welcher Wochentag ist, wenn ich nicht um 20:15 Uhr erinnert werde das Donnerstag ist. Wieso Donnerstag? Na, weil Heidi ihre Topmodels sucht. Ganz genau – ich schaue Fernsehen. Wisst ihr, vor diesem ganzen Wahnsinn hab ich kaum TV geschaut…Ich hatte immer etwas zu tun.
Anfangs konnte ich mit dieser „Entschleunigung“ gar nicht umgehen. Ich war nervös, unruhig hatte extrem schlechte Laune – immer Hunger (ja wirklich immer) und wollte nur fliehen. Wohin flieht man, wenn man sein Bundesland nicht verlassen darf. Nein, nicht einmal das Haus sollen wir verlassen. Ich hab mich in meine Gedanken geflohen.
Selbstreflexion und andere spaßige Sachen die mich tatsächlich so einen Tag lang gut beschäftigt haben.
Die Situation könnte man sich auch ganz gut wie folgt vorstellen : Man ist ein Rennfahrer, immer schnell unterwegs…aber plötzlich mitten auf der Beschleunigungsspur zieht jemand die Handbremse und der Gurt drückt dich zurück in den Sitz während dein Kopf ruckartig nach vorne geschleudert wird und du betest nicht zu sterben. Ok, dass mit dem sterben ist ein wenig übertrieben – aber ihr versteht was ich meine, oder?
„Wer ist eigentlich dieses Corona und was will es, verdammt?“ – Ihr könnt euch gar nicht denken wie oft ich mir diese Frage gestellt haben, obwohl eigentlich hab ich mich nur gefragt „wieso jetzt“. Blablalbla – wir können es jetzt sowieso nicht ändern. Anfangs haben alle gedacht, dass es uns hier in unserem reichen Deutschland sowieso nicht treffen kann. Die Egoisten in unserem Land tangiert das ganze ja sowieso nicht. Der Egoist steht über allen – sogar einem Virus und der Kanzlerin. Gesetzte sind etwas wie Servietten für ihn, wenn man sauber isst und nur auf sich achtet braucht man sie nicht. (Bitch listen – auch du musst dich dran halten.)
Nach einer Woche hatten wir unser Gästezimmer gestrichen, geputzt (ja – das machen wir heute noch keine sorge!), gebacken und ausgemistet. Es folgten die ganz traurigen Netflix, Disneyplus+ und Amazon-Prime Tage. Was – ihr wisst nicht was das ist? Okay…nachdem frühstück oder am besten zum Mittagessen schaut man etwas über die vorhin genannten Streamingplattformen bis in die Nacht. Hannah Montana, Strange Things, Joe Exotic und ganz viel mehr. Nach dem 10ten Tag wird das aber auch zu langweilig und der Arsch schmerzt.
„Ausgangsbeschränkung – vielleicht verstehen jetzt auch die beschränkten das SIE zuhause bleiben sollen“ – Fehlanzeige.
Wir wohnen auf dem Land -VORALPENLAND! Es ist ganz normal, dass am Wochenende viele Städter (Menschen, die in einer Großstadt wohnen) aufs Land fahren. Am liebsten mag ich die, die ihr Fahrrad 30 km aus der Stadt mit ihrem SUV karren um damit dann 5 km um einen See zu fahren, der bald eigene Straßen für Radfahrer braucht. „ACHTUNG ACHTUNG – es ist Samstag bitte ziehen sie eine Nummer damit sie einmal um diesen See fahren können“.
Tatsächlich war mehr los als sonst….
Eigentlich sollten wir ja alle zuhause bleiben. Komisch…sehr komisch dachte ich mir. Ich wollte nicht einmal mehr zum einkaufen gehen, weil man das Gefühl hatte jeder bewertet einen. Wieso ist der jetzt einkaufen – boah ey. Man fühlte sich beobachtet, obwohl man kein Klopapier, Mehl, Milch oder Hefe gekauft hatte. Bis heute frage ich mich wieso die Menschen soooooo viel Klopapier kaufen mussten und Mehl etc. So viel kacken kann man gar nicht. (Falls doch – Respekt.)
Wie auch immer, ich fühlte mich irgendwie so ungewollt und unverstanden. Unverstanden, weil ich meine Mitmenschen nicht verstanden habe. Ist es wirklich so schwer zuhause zu bleiben? Ich wollte auch raus und bin auch spazieren gegangen aber nur dort wo ich sowieso wohne und bin nicht angereist mit Sack und Pack.
Ich hatte ja vorhin schon einmal über die Egomanen gesprochen. Deutschland könnte auch ein Egmonanien sein. Viele haben die Einstellung „mich trifft das nicht“ oder „Ach nur kurz, bin auch der einzige“…aber das ist falsch. Man sollte in einer solchen Situation mal das große ganze sehen. Es sind Kettenreaktionen die undurchschaubar sind und schwer nachzuvollziehen. Der Virus macht nicht vor einem Geldbeutel halt. Ich verurteile niemanden aber verstehen kann ich es einfach nicht und will ich es auch nicht, Ich spreche nicht von Eltern und ihren Kindern, die natürlich mal raus müssen.
In einer solchen Zeit merkt man eigentlich erst wie wenig man seine Mitmenschen, Familienmitglieder und Mitbewohner kennt. Plötzlich ist man sich ausgesetzt für 24 Stunden und kann nicht sagen – „Schatz ich geh ins Fitness“. Schatz, du bist erstmal daheim und kannst den Müll rausbringen, dich um deinen Sohn kümmern und nebenher noch den Ikea Schrank aufbauen den wir vor 3 Monaten gekauft haben.
Wir haben Existenzängste und Geldsorgen. Wir suchen einen Schuldigen an der ganzen Situation aber finden niemanden. Wir stellen alles in Frage und verwerfen es wieder, weil es sinnlos ist. Man ist antriebslos, gelangweilt und gleichzeitig genervt und voller Tatendrang. Wir leben in einer Zeit in der jeder Mensch ständig unter Strom steht, weil wir für unsere Bezahlung leben um zu überleben. Die Mieten sind so hoch, dass ein Bruchteil übrig bleibt für essen und Unternehmungen. „Ihr könnt doch von eurem Erspartem erstmal leben und den Ausgleich zahlen“ – BITTE? Klar, kann man das alles überbrücken aber irgendwann ist es vorbei. Man hat Angst mittellos zu sein.
Das Positive ist aber auch, dass die Menschen näher zusammenrücken und sich die Hände geben – natürlich nur symbolisch um etwas großartiges zu erschaffen. Es gibt Wohnzimmer-Konzerte, Streams, Autokino-Konzerte und privat Personen die für andere einkaufen gehen und somit helfen. Ich ziehe vor diesen ganzen Menschen wirklich den Hut! Die Welt braucht Frieden und Ruhe. Kaum waren nicht mehr abertausende Flieger am Himmel, Boote und Autos unterwegs schenkte uns die Natur kleine Wunder. Man sah Delfine, Wahrzeichen wurden kilometerweit sichtbar, weil sie nicht von Smog umgeben waren und ein Ozonloch schloss sich so schnell wie noch nie.
„Entschleunigung“ – sieht fast so aus wie „Entschuldigung“. Ich denke wir alle sollten in der Zeit zu uns selbst öfter Entschuldigung sagen. Wieso? Na, weil wir uns immer unter Druck setzten um gewisse Dinge zu erreichen und wenn wir es nicht schaffen sind wir schlecht. Wir sollten mit unseren Mitmenschen reden und mehr fühlen können. Empathie – empfinden. Ich hab aufgehört mich schuldig zu fühlen, wenn ich einkaufen gehe…und hab aufgehört die ganzen Menschen zu verurteilen, weil sie sich nicht an die Regeln halten. Am Ende macht es einen nur kaputt und die negative Energie schlägt sich auf das eigene Seelenwohl nieder.
Bleibt gesund.
Ratho